RACE BANNON: San Francisco – Ein Reiseziel für Fetischkerle

RACE BANNON: San Francisco – Ein Reiseziel für Fetischkerle

von Recon News

21 August 2020

Race Bannon AKA Mitglied PigMaster4 PigSlave ist ein Organisator, Schriftsteller, Lehrer, Redner und Aktivist für die LGBT, Leder/Kink, Polyamor-Community und HIV/STI-Prävention seit 1973.
In diesem Artikel beschäftigt er sich mit den Wurzeln der Folsom Street Fair und des Kink in San Francisco.
Jeder, der sich ernsthaft mit Sexualität auseinandersetzt weiß, dass es Kink-Sex bereits seit langer Zeit gibt. Es ist also nichts Neues. Schwuler Kink-Sex ist auch nichts Neues. Jedoch in den frühen 1960ern öffnete eine Bar in San Franciscos Tenderloin Viertel unter dem Namen „Why Not" und bereitete somit den Weg für ein neues Kapitel des schwulen Fetisch.

Was man als schwule Leder-Kultur erachtete hatte frühe Wurzeln in den Vereinigten Staaten. Chuck Renslow wurde Manager des „The Gold Coast" in Chicago im Jahre 1958 und eröffnete dort damit die erste Lederbar.
Fast zum gleichen Zeitpunkt mit der Herausbildung der „Why Not"-Bar zum Himmel für schwule Männer eröffnete die „Tool Box" in einem anderen Stadtteil San Franciscos und überstand ein Jahrzehnt als ein einmaliger Ort für Treffen zwischen Lederkerlen und Cruising.
Lederbars und die einvernehmliche, hedonistische Kultur, welche um sie herum entstand, machten San Francisco zu einem begehrten Reiseziel und Wohnort für Fetischkerle.

Obwohl es Lederbars und die dazugehörige Fetischgemeinschaft nicht nur in San Francisco gab, entwickelte sich die Stadt an der Bucht zu einer einzigartigen und unerschütterlichen Welt in der schwule Männer ihre gemeinschaftlichen Ausschweifungen genießen konnten.

Für eine amerikanische Stadt ist San Francisco bezogen auf Politik und Kultur ziemlich liberal und fortschrittlich. Seit dem späten 19. Jahrhundert, als die Stadt noch eine geschäftige, aufstrebende Bergbauregion mit funktionierendem Hafen war, ist die kommunale Haltung bis heute immer liberaler und toleranter geworden. Freidenker und Nonkonformisten waren aus diesem Grund seit jeher angezogen von San Francisco - nicht zuletzt natürlich auch die LGBTQ- und Fetisch-Gemeinschaften.

Mit Blick auf das Hier und Jetzt ist zu sagen, dass San Francisco immer noch sehr liberal und auch weiterhin ein spezieller Ort für die LGBTQ-Community ist. Es ist immer noch ein Ort, wo Menschen friedvoll leben können und bis in die höchsten Kreise anerkannt werden.
Es ist immer noch eine Stadt, die vornehmlich die Individuen aufnimmt, welche am Rande der Gesellschaft leben. Und nicht zuletzt ist es immer noch eine Stadt für alle Menschen aus der Fetisch-Kultur.

In Zukunft habe ich vor, noch mehr über meine geliebte derzeitige Heimatstadt zu reden, aber lasst mich euch zunächst einmal einladen zu einem ganz bestimmten, wenn nicht sogar DEM wichtigsten Event für Kinkster auf der ganzen Welt - der Folsom Street Fair.

Sicherlich gibt es ähnliche Veranstaltungen auch anderswo. Berlin, Chicago, Antwerpen und viele andere amerikanische und europäische Städte sind Gastgeber für eine ganze Bandbreite an Events für Kerle, die Interesse haben an Kink, Fetisch und BDSM, jedoch gemessen an der Besucherzahl ist nichts vergleichbar zur Folsom Street Fair mit seinen 200.000 Teilnehmern.

Viele nehmen an, dass das Straßenfest seinen Ursprung in einem Leder-Event hat - das ist allerdings nicht ganz richtig. Ja, natürlich waren auch Lederkerle auf dem ersten Event und manche davon sogar als Initiatoren, doch wirklich zum Leben erweckt hat es eine bunte Gemeinschaft von engagierten Menschen die nicht zwangsläufig nach einer heute etablierten Leder- und Kinkgemeinschaft strebten.

Das erste Folsom Straßenfest war der Versuch von zwei Aktivisten und Organisatoren der Gemeinschaft, Kathleen Connell und Michael Valerio, den Stadtteil „South of Market" in San Francisco vor aggressiver Gentrifizierung und kommerzieller Erschließung zu bewahren. Bauunternehmer zeigten Interesse an großen Teilen des Bezirks und wollten dementsprechend viele bereits ansässige Unternehmen und Anwohner vertreiben.

Inmitten der aggressiven Gentrifizierung, die eine ganze Gemeinschaft verdrängen sollte, halfen Connell und Valerio der zu diesem Zeitpunkt agierenden Organisation von Aktivisten bei der Bekämpfung dieser Entwicklung bzw. deren Eindämmung. Ihre kooperative, gemeinschaftsorientierte Arbeit führte schlussendlich zum Zustandekommen des ersten Folsom Straßenfestes im Jahre 1984, welches sie „Megahood" nannten.

Seit den ersten Anfängen der Bewegung und der Folsom Street Fair, sich einsetzend gegen Vertreibung und für die Menschen in dem Viertel, hat sich viel verändert - heute ist es das bekannteste Fest mit Fokus auf die vielfältigen Erscheinungsformen von Leder, Kink und Fetisch.

Das Straßenfest ist nicht ausschließlich für schwule Männer. Während ich mit Sicherheit sagen kann, dass die Mehrzahl der Besucher schwule Kerle sind, heißt das Straßenfest Menschen jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung und jeden Fetischs willkommen. Für viele macht es genau diese Erfahrung so reizvoll, mal nach San Francisco zu kommen und sich als Teil des gesamten Fetisch-Spektrums zu fühlen und die in der ganzen Welt beheimatete Gemeinschaft mit den anderen Teilnehmern zu repräsentieren.

Aber ich kann dir, geneigtem Leser, versichern, dass du das Folsom Straßenfest, falls du daran teilnimmst, nicht so schnell wieder vergessen wirst. Um das Fest herum entstanden und entstehen Jahr für Jahr viele verschiedene Events, wie zum Beispiel Sexpartys, Fetisch-Schulungen bzw. -Trainings, Tanzpartys und weitere spannende Veranstaltungen - es gibt also Auswahl genug. Die Folsom Street Fair findet in diesem Jahr am Sonntag, den 29. September 2019 statt.


Oh, und falls es dir bei der Entscheidungsfindung hilft - Recon kooperiert in diesem Jahr mit dem nicht auf Gewinn ausgerichteten Verein des Straßenfestes, Folsom Street Events, und wird Gastgeber der Full Fetish San Francisco Party sein. Ich hoffe, viele von euch dort und auf dem Fest treffen zu können!

Für weitere Informationen zum Straßenfest und der Full Fetish San Francisco Party, besuche folsomstreetevents.org.

Race Bannon ist ein Organisator, Schriftsteller, Lehrer, Redner und Aktivist für die LGBT, Leder/Kink, Polyamor-Community und HIV/STI-Prävention seit 1973. Er hat zwei Bücher geschrieben, viele Artikel veröffentlicht, mit einer Vielzahl von Menschen gesprochen, den weltweit größten fetisch-freundlichen Psychotherapeuten- und Medizinervermittlungsdienst gegründet, er war Vorsitzender des „The DSM Project", welches die amerikanische Psychotherapeutengemeinschaft zum Umdenken bezüglich der Sicht auf BDSM anregte, gründete einen bahnbrechenden, alternativen, sich auf Sexualität fokussierenden Verlag, agierte als Radiomoderator mit dem Schwerpunkt Sex, bekam nationale und internationale Preise für seine Arbeit und trat in zahlreichen Dokumentationen auf. Im Moment schreibt er für den „Bay Area Reporter" auf seinem Blog.

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