RACE BANNON: In Kink-Beziehungen miteinander klarkommen

RACE BANNON: In Kink-Beziehungen miteinander klarkommen

von Recon News

24 Februar 2021

Race Bannon alias Mitglied LoneWolfPig ist Organisator, Schriftsteller, Aufklärer und Aktivist in der LGBT, Leder/Kink, Polyamourösen-Szene und HIV/STI Prävention und Anwendungsgebieten seit 1973. In diesem Artikel spricht er darüber, wie man in Kink Beziehungen miteinander klarkommt.

Alle Beziehungen haben einzigartige Herausforderungen. Kinky Beziehungen machen da keinen Unterschied, aber manchmal kann der Aspekt des Kink noch mal eine andere Schicht an Komplexität mit sich bringen.

Wenn jemand fragt, "Wie komme ich am besten in Kink- oder Fetisch-Beziehungen klar?", dann ist die richtige Antwort darauf immer: „Also, das hängt von vielen Faktoren ab." Es gibt keine bestimmte Reihe an Erklärungen, die auf alle Situationen passen.

Wenn ihr euch die Vielzahl an Mainstream-Artikeln zum Thema, worüber Partner sich streiten, anschaut, werdet ihr sehen, dass immer dieselben paar Themen, wie Geld, häusliche Pflichten und Zeit zum privaten Alleinsein vorkommen und auf jeder dieser Listen werdet ihr Sex finden. Deshalb haben Kink Beziehungen, besonders die, bei denen Kink eine zentrale Rolle spielt, logischerweise eine Menge an möglichem Konfliktpotenzial.

Ich will hier jetzt nicht den Kanon an Standard-Beziehungstipps wiederholen, wie ehrliche Kommunikation, die Sachen langsam angehen lassen, wenn man in der Dating-Phase ist und der Limerenz (die frühe Phase, in der man in jemanden verknallt ist) ihren Lauf lassen, bevor man große Entscheidungen, wie zusammenzuziehen, trifft. Die treffen alle auf jede Beziehung zu. Es gibt genügend Artikel dazu, die die Vorteile diese und andere allgemeine Richtlinien zu befolgen, anpreisen.

Ich möchte stattdessen lieber über ein paar besondere Herausforderungen, die sich speziell den Kinkstern stellen, sprechen. Ich muss zugeben, ich kann nur auf ein paar Punkte von vielen eingehen. Über solchen Rat könnte man ein Buch schreiben. Es ist auch wichtig klarzustellen, dass der Rat, den ich hier gebe, aus dem Blickwinkel meiner Gespräche, Erfahrungen, und Neigungen erfolgt. Wie bei jedem Rat: denkt immer für euch selbst und passt ihn auf eure eigene Situation an oder ignoriert ihn komplett. Niemand hat ein Monopol auf dem Markt für Beziehungsratschläge.

Gleich am Anfang einer beginnenden Beziehung sollten zwei (oder mehrere) Menschen idealerweise entscheiden, ob sie eine Beziehung bilden wollen, in der Kink vorkommt oder eine Beziehung, die außerhalb des Kink aufgebaut wird. Extreme Formen von Machtaustausch sind nur ein Beispiel eines von Kink bestimmten Bunds, doch haben alle Arten einer Kink-Beziehung vielleicht Sexualität und deren verbundene, sexuelle Subkulturen als entscheidende Gemeinsamkeiten und das sind diejenigen, die außerhalb des Mainstreams Ratschläge brauchen.

Beziehungen mit ein bisschen Kink können wahrscheinlich auf die Ratschläge einer normalen Beziehung zurückgreifen, aber eine Beziehung, bei der der Kink im Zentrum steht, hat ein paar Fallstricke, die den Umgang damit etwas schwieriger machen.

Ich würde vorschlagen, dass ihr, wenn Kink eher ein vitaler und zentraler Bestandteil euerer Beziehung(en) ist, versucht in Kinky Gewässern zu fischen, wenn es ums Daten geht, als euere Chancen im allgemeinen normalen Dating-Pool zu suchen. Ja, es ist immer möglich, dass ein Vanilla-Partner sich dahin weiterentwickelt, dieselben erotischen Interessen wie Du zu haben, aber warum nicht euren Einsatz absichern, indem ihr gleich von Anfang an im selben Sandkasten spielt? Auf Recon allein gibt es massives Dating-Potenzial!

Idealismus jedoch ist nicht immer möglich. Eine der Sachen, die Du öfters von jemanden hören wirst, der gerade sein Kinky- oder Fetisch-Ich neu entdeckt oder sich endlich entscheidet dieser Seite seiner Persönlichkeitsaufmachung mehr entgegenzukommen, ist, dass es sich wie „zweites Coming-Out" anfühlt. Wenn Du schwul oder bisexuell bist oder Dich außerhalb der heterosexuellen Orientierung identifizierst und Du diesen Umstand nicht komplett vor allen verborgen hast, wirst Du wahrscheinlich irgendeine Form von Coming-Out erlebt haben – vor Freunden, vor der Familie oder vor wem auch immer es angemessen schien, Dein wahres Ich zu offenbaren, um mit diesen Leuten offener umgehen zu können. Das ist nicht immer einfach.

Und dann kommt dazu, dass viele Leute ihre Interessen, die mehr kinky sind, erst später im Leben entdecken, vielleicht sogar erst weit, nachdem sie sich mit ihrer identifizierten Orientierung wohl fühlen, vielleicht erst, wenn sie fest in einer existierenden Beziehung verwurzelt sind und das sehr kompliziert sein kann. Das Bedürfnis mit seiner Kink-Realität dann auf andere zuzugehen wird da zu einer weiteren Hürde.

Was, wenn Du schon in einer lang existierenden Beziehung bist und einer (oder mehrere in einer Poly-Beziehung) beginnen zu entdecken, dass sie Neigungen hin zu Kink, Fetisch, Leder oder BDSM haben?
Damit macht man sich meistens nicht beliebt, es auszusprechen, aber die Non-Monogamen und Polyamourösen haben in diesem Betracht vielleicht einen Vorteil. Kinkster kommen mit ihren Kink-Bedürfnissen oftmals am besten hin, wenn ihre Beziehungen zu einem gewissen Grad offen sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Leute identisch zueinanderpassen, besonders über eine längere Zeit, ist in Bezug auf Kink- und Fetisch-Interessen eher unwahrscheinlich. Ich habe eine Menge an Langzeit-Beziehungen mit Kink-Grundlage beobachtet und die meisten der erfolgreichsten davon waren offen. Das bedeutet nicht, dass Monogame nicht auch abenteuerliche erotische Faszination untereinander finden können, aber mit einem monogamen Sexleben klarzukommen, kann einzigartige Herausforderungen stellen, die irgendwie erleichtert werden können, wenn die Partner die Möglichkeit haben, ihre Kinks mit anderen auszuleben.

Ein erotischer sadistischer Ledermann, den ich kenne, hat mir neulich gestanden, dass er es schwierig findet, sobald er in seinen Partner tief verliebt ist, extremeren SM mit ihm zu praktizieren, auch wenn diese Spielart ihn vollständig befriedigen würde. Externe Spielpartner können helfen, diesen Stressfaktor abzumildern.

Dann gibt es noch das heikle Gebiet der totalen Machtaustausch-Beziehungen, vor allem der 24/7/365 Spielart. Schafft man sich ein Vollzeit Machtaustausch Arrangement oder dreht man nur ein bisschen auf, wenn gespielt wird oder man ein Fetisch-Event besucht? Wird das eher kurz- oder langfristig?

Intensive Machtaustausch-Beziehungen sind ein Bereich, bei dem ich mir sicher bin, dass ich von den strengeren Ausübenden abweiche, da ich denke, dass jeder zu jeder Zeit, in der er in einer solchen Beziehung spürt, dass sie ihm nicht länger positiv, zum Genießen oder als Wachstumsmöglichkeit der Partnerschaft dient, für notwendige Veränderungen eintreten oder aus der Beziehung heraustreten dürfen muss.

Mir ist es egal, ob jemand denkt, dass er jemanden „besitzt" oder von jemanden „besessen" wird oder wie intensiv der Machtaustausch ist – letztendlich hat jeder die Handlungsmacht über seine eigene Zukunft. Der Moment, in dem in irgendeiner Beziehung nicht abgestimmter Missbrauch passiert oder der Schnittpunkt zwischen zwei Fetisch Perspektiven deutlich abweicht, ist der Zeitpunkt gekommen, diese Beziehung auf den Prüfstand zu stellen.

Denkt abschließend daran, dass der ganze Kink und seine begleitenden Kulturen am Ende nur Konstrukte sind, was bedeutet, dass wir sie individuell und gemeinsam geschaffen haben. Klar, wir bauen sie oftmals auf existierenden Archetypen, Ikonographie, Erotika und der gegenwärtig dominanten Kultur auf, aber Sachen, die konstruiert werden konnten, können auch dekonstruiert werden (was nicht immer einfach ist) und auf eine Art, die euch gefällt, wieder zusammengesetzt werden. Euere neue Version des Kink und der begleitenden Beziehung wird vielleicht einem Trend oder einer Tradition zuwiderlaufen, aber sie dient eurem und eueres Partners Bedürfnissen und hat auf andere keinen negativen Einfluss, also probiert es aus! Seid der Schöpfer euerer eigenen individuellen Kink-Beziehungen. Es macht Spaß zu spielen, dass man einem Anführer folgt. Aber genauso Spaß macht es, selbst der Anführer zu sein.

Es gibt so viel mehr was ich noch sagen möchte, aber ich habe dafür keine Zeilen mehr. Bis zum nächsten Mal ...

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