RACE BANNON: Fetisch-Flagge zeigen

RACE BANNON: Fetisch-Flagge zeigen

von Recon News

21 August 2020

Race Bannon AKA Mitglied PigMaster4PigSlave ist Organisator, Autor, Pädagoge, Redner und Aktivist in den Bereichen LGBT, Leder/Kink, Polyamorie und HIV/STI-Prävention seit 1973. In diesem Artikel spricht Race über den Hanky Code.

Hier in San Francisco stecken wir gerade in der geschäftigsten Zeit für Kink und Fetisch im ganzen Jahr, dem Folsom Street Fair Wochenende. Nun ja, es war jedenfalls mal nur ein Wochenende. Inzwischen sind aus dem Straßenfest heraus viele andere Veranstaltungen entstanden, die das Fest zu beinahe einer ganzen - mit Aktivitäten gefüllten - Woche ausgedehnt haben.

Es gibt zum einen das Straßenfest am Sonntag, dem 29. September mit prognostizierten 200.000 Teilnehmern. Des Weiteren gibt es Tanz-, Sex- und Spielpartys, Schulungsveranstaltungen, Barnächte, Treffen in Gear, Möglichkeiten zum Einkaufen von Gear und noch viel mehr. Es gibt so viel zu tun, dass du dir bloß nicht vornehmen solltest, alles erleben zu wollen. Wähle einfach punktuell aus den Angeboten aus und genieße dann deine Zeit.

Ich werde nicht alle Events einzeln beleuchten, da das viel mehr Text brauchen würde, als mir hier zur Verfügung steht. Was ich machen werde ist, dir eine wichtige Sache mit auf den Weg zu geben.

Du kannst viel Sex und Spaß haben, während du hier bist. Sehr viel Sex und Spaß.

Die Stadt wird gefüllt sein mit mehreren zehntausend Kerlen aus der ganzen Welt. Es wird daher zahlreiche Gelegenheiten für Cruising und Treffen mit anderen sexhungrigen Kerlen geben.

Dadurch, dass in der ganzen Stadt Tag und Nacht Kerle in Gear durch die Straßen ziehen werden, hast du auch die Chance, mal ganz ohne die bewährten Apps Leute zu treffen und sie aktiv anzusprechen. An diesem Wochenende ist San Francisco der Ort für jeden schwulen Fetisch-Mann, der mal die Sau rauslassen möchte.

Mit dem Tragen von bestimmter Kleidung oder beispielsweise deiner Schlüssel auf einer bestimmten Seite kannst du das Cruising auf solchen Events wesentlich vereinfachen. Vermutlich sendet aber kein anderes Stück Gear so eindeutige Signale aus bezüglich der sexuellen Präferenzen, wie das dementsprechend passend eingefärbte Hanky.

Die meisten Fetisch-Kerle kennen sich mit dem Hanky Code aus, doch falls du nochmal eine kleine Auffrischung brauchst - es handelt sich hierbei um eine seit langem bestehende Tradition, mit dem Hanky gegenüber anderen Männern auszudrücken, dass man nach Sex sucht und nach welcher Art von Sex man sucht. Die Farbe lässt hierbei erkennen, um welche Vorliebe es geht - in der hinteren linken Hosentasche getragen, ist man Top - in der rechten Hosentasche getragen, ist man Bottom.

Wo hat diese Tradition begonnen? Die meisten Entstehungsgeschichten sind eine Mischung aus Fakten und Mutmaßungen, aber die am häufigsten erwähnte Geschichte fängt hier in San Francisco an.

Verschiedenfarbige Bandanas um den Hals zu tragen war üblich bei bestimmten Gruppen der Arbeiterklasse in der Mitte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Während und kurz nach dem Goldrausch in San Francisco gab es einen Mangel an Frauen. Aus diesem Grund tanzten die Männer zusammen und entwickelten einen Code.

Man geht davon aus, dass sie Bandanas (Hankys) auf der linken oder rechten Seite trugen, abhängig davon, ob sie beim Tanzen führten oder sich führen ließen. Möglicherweise war das Hanky auch Hinweis auf eine bestimmte Stellung in der Gesellschaft. Dabei gibt es die Theorie, dass schwule Männer daraufhin ihre Hankys weiterentwickelten, um ihre sexuellen Präferenzen zu kommunizieren. Nochmal - diese Annahmen sind bis zu einem gewissen Grad nur begründete Vermutungen.

Anscheinend wurde der erste gegenwärtige Hanky Code unter schwulen Männern in den frühen 70ern entwickelt, vielleicht auch früher. Es ist schwierig, die Anfänge genau festzulegen, da der Trend in unterschiedlichem Maße und an verschiedenen Orten aufgenommen wurde und sich durchsetzte.

Bezogen auf die Hanky-Farben nehmen manche an, dass einige davon ursprünglich vom regelmäßigen Gebrauch unter schwulen Männern übernommen wurden. Bei anderen wissen wir, dass jemand absichtlich Farben, Muster und Material bestimmten sexuellen Aktivitäten zuordnete, die dann gebräuchlich wurden.

Manche beziehen sich hinsichtlich des modernen Hanky Code auf die frühen 70er Jahre, als Journalisten der Village Voice scherzten, dass das Tragen von farbigen Hankys als Anzeige für Top- oder Bottom-Position besser wäre, als das Signalisieren mit Hilfe von Schlüsseln. Dann gibt es da noch Alan Selby, Gründer von Mr. S Leather, der den ersten Hanky Code mit seinen Business-Partnern von Leather 'n' Things im Jahre 1972 kreierte. Außerdem ist Del Tyson zu nennen, der bei The Pleasure Chest in New York City arbeitete, scherzhaft Farben und Materialien mit sexuellen Interessen verknüpfte und zu jedem Einkauf so ein Tuch mit einem Kärtchen, auf dem die Bedeutung der Kombinationen stand, in die Tüte der Kunden packte.

Ich glaube, es gibt keine eindeutige Geschichte des Hanky Code, aber was wir definitiv wissen ist, dass er sich durchgesetzt hat und nach wie vor wichtig sein wird.

Die sexuellen Präferenzen mit Hankys anzuzeigen, schien vor ein paar Jahren rückläufig zu sein, aber es ist ziemlich deutlich, dass sie heutzutage wieder allgegenwärtig sind. Während die bekannteren Farben, wie Marineblau für Anal, Rot für Fisting, Grau für Bondage, Schwarz für SM und Gelb für Urin, auch die gängigsten Farben darstellen, gibt es noch viel mehr Muster und Variationen - schau am besten im Internet nach unter „Hanky Code" und du wirst eine Vielzahl an Seiten finden, die dir eine Auswahl an Farben, Materialien und Mustern für mehr als 80 spezifische sexuelle Neigungen anbieten.

Mein Rat? Bleibe bei den bekanntesten und etabliertesten Farben. Selbst die erfahrensten Kinkster müssen sich bei vielen Hankys spezieller Literatur bedienen, um die Bedeutung herauszufinden. Wenn du unbekanntere Hankys benutzt, signalisierst du deine Vorlieben einer kleineren Gruppe von Menschen und minimierst so den potenziellen Personenkreis beträchtlich.

Außerdem werden die gebräuchlichen Farben, wie Blau, Rot, Grau und Gelb mittlerweile auch bei Leder- und Rubber-Gear verwendet. Du magst die Lederhose mit den roten Seitenstreifen ja vielleicht geil finden, aber wenn du nicht auf Fisting stehst, sendest du womöglich falsche Signale an die Community.

Vielleicht sieht man sich ja auf der Folsom Street Fair. Du erkennst mich wahrscheinlich an dem schwarzen Hanky in meiner linken und einem marineblauen Hanky in meiner rechten Hosentasche. Aber denk dran - für mich und auch für viele andere sind das nur einige wenige wichtige Interessen. Die meisten Kerle, ich eingeschlossen, könnten wahrscheinlich mehrere Farben in einer oder in beiden Taschen tragen. Gehe niemals davon aus, dass jemand mit einem Hanky nur seine sexuellen Interessen kommunizieren möchte. Fasse sie stattdessen eher als Gesprächsaufhänger bzw. -starter auf. Fast keiner lässt sich gerne wegen irgendwelcher durch Farben repräsentierte sexuelle Vorlieben in Schubladen stecken.


Race Bannon ist ein Organisator, Schriftsteller, Lehrer, Redner und Aktivist für die LGBT, Leder/Kink, Polyamor-Community und HIV/STI-Prävention seit 1973. Er hat zwei Bücher geschrieben, viele Artikel veröffentlicht, mit einer Vielzahl von Menschen gesprochen, den weltweit größten fetisch-freundlichen Psychotherapeuten- und Medizinervermittlungsdienst gegründet, er war Vorsitzender des „The DSM Project", welches die amerikanische Psychotherapeutengemeinschaft zum Umdenken bezüglich der Sicht auf BDSM anregte, gründete einen bahnbrechenden, alternativen, sich auf Sexualität fokussierenden Verlag, agierte als Radiomoderator mit dem Schwerpunkt Sex, bekam nationale und internationale Preise für seine Arbeit und trat in zahlreichen Dokumentationen auf. Im Moment schreibt er für den „Bay Area Reporter" auf seinem Blog.

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