MITGLIEDER-MEINUNG: Nicht mein (Persönlichkeits-)Typ, aber mein (Kink-)Typ
von
Recon News
31 August 2021
Von NikeShoxJock
Hast du schon mal jemanden bei Recon kennengelernt, der einfach perfekt zu dir passte, du dich dann aber über Themen unterhalten hast, die nichts mit Sex zu tun hatten, und festgestellt hast, dass diese Person... seltsam, nervig, anhänglich oder gar noch schlimmer als das ist? Eine Person, die einen gewissen Vibe ausstrahlt und du kurzzeitig schockiert bist, weil ihre Kink-Persönlichkeit und ihre normale Persönlichkeit so weit voneinander abweichen, dass es dir vorkommt, als würdest du mit einer anderen Person sprechen? Vielleicht sogar so sehr, dass du dich überhaupt nicht mehr mit dieser Person treffen möchtest? Ja, das kommt vor. Was machst du dann? Wie gehst du damit um? Und ist es überhaupt ein Abtörner oder könnte es sich möglicherweise sogar in einen Antörner verwandeln?
Natürlich gibt es Typen, die im echten Leben genauso sind wie im Bett. Beispiel: „Ich bin liebevoll und herzlich im Alltag, und ich bin liebevoll und herzlich im Bett." Oder das Gegenteil: „Ich bin im Alltag genauso grob und vulgär wie im Bett." Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Generell kann es Überschneidungen zwischen uns und unserem Kink-Ich geben. Andererseits ist es normal - ja sogar absehbar - eine deutliche Diskrepanz zwischen einer Person und ihrer Kink-Persona vorzufinden. Im Bett verwirklichen wir unsere dunkelsten Fantasien und werden zu Menschen, die in der Lage sind, unsere sexuellen Begierden zu befriedigen. Im echten Leben mag ich es nicht, verbal erniedrigt zu werden und gesagt zu bekommen, dass ich ein wertloses Stück von einem geilen Boy-Arsch bin, den Daddy mit seinem Sperma füllen soll. Sobald wir unser Kink-Ich ausleben, verwandeln wir uns in einen verborgenen Teil von uns selbst, den wir vor Freunden, Familie und Kollegen verstecken, weil wir unser sexuelles Ich niemandem offenbaren, außer unseren Sexualpartnern.
Auf Recon wird von uns erwartet, dass wir unser sexuelles Selbst sind und das ist ziemlich befreiend. Als ich mich zum ersten Mal anmeldete, fand ich es seltsam, wenn Männer auf ihrem Profil etwas über ihr Privatleben posteten. Interessen, Hobbys, Berufe, Träume, politische Äußerungen, Besonderheiten ihres realen Lebens. Ursprünglich dachte ich, dass die Jungs das machen, weil sie hier nicht nur nach Sex suchen, sondern auch nach einer langfristigen Beziehung oder sogar einer romantischen Langzeitbeziehung. Doch das ist nicht immer der Fall. Die Jungs hier zeigen gerne ein umfassenderes Bild von sich selbst; es ist der Versuch, Vertrauen zu schaffen, um eine fruchtbare Beziehung aufzubauen. Reicht es aus, sich über ähnliche Fantasien und Kinks auszutauschen? Ist es notwendig, Aspekte über sein reales Leben zu teilen, um eine Grundlage für ein Treffen zu schaffen? Die Gesellschaft gibt vor, dass Jungs mit völlig Fremden ins Bett gehen können. Wir können ficken, One-Night-Stands haben und den besten Orgasmus unseres Lebens mit einem Fremden haben. Im Gegensatz zu Frauen (wie man uns erzählt), können wir Emotionen vom Spiel trennen und tun das oft; wir tun es, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Es ist biologisch gesehen ganz natürlich, dass wir unseren Samen in die Welt setzen. Aber ist das immer noch der Fall? Oder hat sich die Gesellschaft die ganze Zeit über in Bezug auf Männer geirrt? Und was geschieht eigentlich, wenn das reale Ich eines anderen Mannes mit dem eigenen kollidiert, trotz gemeinsamer Fantasien/Kinks?
Beispiel. Die Mehrheit aller LGBT+ Personen ist politisch/gesellschaftlich gesehen eher links zu verorten. Es gibt jedoch auch viele, die nach rechts tendieren. Es hat mich also nicht überrascht, dass ich hier auch auf Konservative gestoßen bin. Vielmehr war ich überrascht, dass sie offen damit umgingen. Ich habe mit einem konservativen Typen über Politik geplaudert und wir schafften es tatsächlich, dem anderen nicht den Kopf abzureißen. Und um ehrlich zu sein, haben mich die Meinungsverschiedenheiten, die wir hatten, ziemlich geil gemacht. Durch diese leidenschaftliche (aber respektvolle) Meinungsverschiedenheit wurde ich hart, so richtig hart. Es gab jedoch noch einen anderen Kerl, der sexuell perfekt zu mir passte, auch ein Konservativer, der aber Dinge zu mir sagte, die mich zum Explodieren brachten, insbesondere, dass die Pandemie nur erfunden sei. Also blockierte ich ihn. Und ich verlor jedes sexuelle Interesse an ihm.
Was den ersten konservativen Typen betrifft, so verwandelte sich meine Wut und Frustration schnell in sexuelle Energie. Kurioserweise phantasierte ich über ein Rollenspielszenario zwischen mir und ihm auf der Grundlage von politischen Differenzen. Wir würden in einen hitzigen politischen Streit geraten und uns am Ende irgendwie gegenseitig das Hirn rausficken. In diesem Szenario dienten echte Emotionen als Basis für das Spiel, also nicht nur die Verbundenheit aufgrund gemeinsamer Fetische.
In anderen Fällen erstarre ich hingegen und ertappe mich dabei, wie ich das Interesse an der Person sexuell verliere, wenn es zu real wird. Das angestrebte Ziel meiner Recon-Mitgliedschaft ist Sex. Solange ich den Eindruck habe, dass der Kerl SSC (Safe, Sane, Consensual - ungefährlich, vernünftig, einvernehmlich) ist bzw. spielt und wir uns über den Ablauf des Spiels einig sind, kann es losgehen. Ja, es ist wichtig, sich zuerst zu treffen und ein Gefühl für die andere Person zu bekommen, aber abgesehen davon kann ich nicht behaupten, dass ich wirklich daran interessiert bin, den Kerl näher kennenzulernen. Im Nachhinein denke ich über vergangene Gespräche nach, in denen Jungs mich auch jenseits der Kinks kennenlernen wollten und bin etwas irritiert. Recon ist streng genommen keine Dating-App*. Es ist eine Abschlepp-App. Und die meisten Jungs schreiben in ihren Profilen, dass sie mehr als nur Sex suchen, und ich neige dazu, ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich habe Gespräche mit Mitgliedern beendet, als die Konversationen über Sex und Kink hinausgingen und sie mir von ihrem Tag berichteten, wie ihr Arbeitsverhältnis/ihr Job sei, wie sie ihren Weg zu ihrem Idealbild eines erfolgreichen Lebens gefunden haben, was sie studiert haben, etc. Ich habe kein Problem damit, persönliche Fragen oberflächlich zu beantworten, doch in dem Moment, in dem die Fragen zu weit gehen, reagiere ich so höflich wie nur möglich und sage, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für diese Art von Gespräch ist. Ich weiß, dass ich wie ein Arschloch rüberkomme, aber wie ich schon sagte, vermeide ich Typen, die explizit schreiben, dass sie auf der Suche nach einer romantischen LTR (Langzeitbeziehung) sind. Ich respektiere, dass Jungs mich einfach nur kennenlernen wollen, aber es gibt eben auch Grenzen. Ehrlich gesagt, interessiert mich das Privatleben eines Mannes außerhalb von Kink nicht. Ich weiß, dass mich einige Leute hiernach wieder zu einem Gespräch auffordern werden, um mich besser kennenzulernen, aber hier geht es um Sex; mein Lebensweg geht euch nichts an - ob ich ein guter Fick bin, ist eine angemessenere Frage.
Ich will eine Kontroverse provozieren, nur um von vornherein die Spielregeln festzulegen. Mein Sexualleben geht euch etwas an. Wenn du mich generell kennenlernen willst, werde ich dir ein paar Informationen verraten, aber es liegt ein gewisser Reiz in der Anonymität. Sich auf ein Spiel mit völlig Fremden einzulassen, ist heiß. Ich kenne dich nur sexuell. Wer du privat bist, geht mich nichts an. Welches Recht habe ich, mich zu erkundigen, wie viel Geld du verdienst oder dir berufliche Ratschläge zu geben?
Würdest du immer noch mit einem Kerl spielen, nachdem du (irgendwie) weißt, dass er außerhalb von Kink nicht mit deiner realen Persönlichkeit kompatibel ist, und ist eine emotionale Verbindung (durch die Bekanntschaft mit einem Kerl außerhalb des Kinks) eine Voraussetzung für heißere, erotischere Spielstunden? Für Typen, die eine LTR suchen, entweder sexuell und/oder romantisch, scheint eine gegenseitige emotionale Verbindung notwendig zu sein. Ihr beide solltet euch (theoretisch) auf einer grundlegenden menschlichen Ebene mögen. Und wenn ihr euch zwar kinkmäßig versteht, aber nicht persönlich, was dann? Ist eine emotionale Bindung für Jungs, die nach zufälligen Sexkontakten Ausschau halten, eher förderlich oder hinderlich für besseren Sex? Für mich ist es in der Regel das Letztere. Ich mag es, für die Jungs, mit denen ich mich treffe, anonym zu sein. Es gibt keinen Druck, ich selbst zu sein und keinen Anspruch, sie zu beeindrucken. Ich kann mein Fantasie-Ich sein und auf diese Weise uns beide sexuell befriedigen. Wenn wir durch Zufall über allgemeine Fragen miteinander in Konflikt geraten, kann ich mir heißen "Hass"-Sex über z.B. politische Konflikte vorstellen, aber nur, wenn die Energie auch ins Sexuelle umschlägt. Wenn das nicht der Fall ist und du unterschwellig zu viel von mir willst, törnst du mich ab.
Sind wir als Männer imstande, mit einem Fremden einen genauso guten Orgasmus zu haben, wie mit jemandem, mit dem wir eine emotionale Verbindung teilen? Ich gebe zu, Sex mit jemandem zu haben, zu dem eine gegenseitige romantische Zuneigung besteht, ist eine schöne Erfahrung. Aber ist es immer eine gute Sache, diese emotionale Verbindung zu haben? Ich denke nicht. Ich möchte nicht riskieren, das Interesse an jemandem sexuell zu verlieren, wenn unsere Persönlichkeiten im wirklichen Leben nicht kompatibel sind.
Ich hoffe, dass dieser Artikel eine interessante Diskussion anregt.
***Mitgliedermeinung, nicht der Standpunkt von Recon
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