MITGLIEDER IM SPOTLIGHT: Rubbernskin
von
Recon News
31 Juli 2020
Wie würdest du jemandem Gummi als Fetisch erklären? Was macht deinen Rubber-Fetisch aus?
Ich betrachte Fetisch als eine Möglichkeit "ein Objekt in Ehrfurcht und Respekt zu halten". Ich glaube, dass Gummi als Fetisch eine Form der Beteiligung an Gemeinschaftsereignissen ist, um sich mit anderen zu vernetzen, die sich gleichermaßen damit identifizieren; eine Methode, um (aus Neugierde oder aus Verlangen?) sexuelle und nicht-sexuelle Selbstverwirklichung zu ergründen, bei der ein Teil oder alles von dir losgelöst vom Alltag und von der Gesellschaft agiert.
Ich empfinde das Tragen meiner Gummiklamotten als eine 'zweite Haut'. Ich nenne sie eine zweite Haut, weil sie mir erlaubt, mich selbstbewusst zu fühlen; zu beeindrucken, während ich mich mit anderen vergnüge, die das gleiche Material tragen: glatt, glänzend, flexibel und kraftvoll. In meiner normalen Haut fühle ich mich nicht immer zu 100% sicher bzw. respektiert, aufgrund rassistischer Mikroaggressionen zum Beispiel. Wenn ich meine Gummisachen trage, bin ich zu 100% eins mit mir selbst und mit meiner Verbindung zu Fetisch und verschiedenen Identitäten. Ich gehe immer mit Bescheidenheit und Respekt an das Tragen meiner Rubber Klamotten heran. Meine Haut, die Gear, die ich trage, sollte stets respektvoll behandelt werden. Gummikleidung ist nicht anders als Leder. Leder sieht aus wie feste Linien - streng und genau - unterteilt, wohingegen Gummi flexibel ist und auf viele Arten Form annimmt. Gummi und Fetisch werden zu einer gelebten Realität, in der Ideen und Begegnungen in gemeinsames Lernen und Mitwirken transformiert werden, was zu einer wunderbaren und positiven Erfahrung wird.
Wie wurdest du auf Gummi aufmerksam und wie bist du mit der Szene in Kontakt gekommen?
Ich begann mich für Gummi zu interessieren, als ein Freund mich zur Folsom Street Fair einlud, allerdings mit einem anderen Ansatz. Obwohl ich meine erste Folsom Street Fair im Jahr 2004 besuchte, passierte es erst im darauffolgenden Jahr, dass ein Freund, der in der Fetisch- und Kink-Gemeinschaft aktiv war und sich ein Image in der Rubber-Gemeinschaft aufgebaut hatte, mich ermutigte bzw. vorschlug, mich auch mal "in Gear zu hüllen". Mein Freund, Rubberleatherkink, hat viel Erfahrung mit Seilspielen und Bondage, doch seine Verbindung zum Fetisch und zu Kinks hat er durch die Gummisachen entdeckt. Rubberleatherkink war in jenem Jahr mein Guide auf dem Folsom Street Fair und zeigte mir, dass ein Mensch, der seine Neugierde bezüglich Fetisch und Kink ausleben will, wissen muss, dass es nicht nur eine Möglichkeit gibt, dies zu tun - sondern mehrere. Die Folsom Street Fair ist ein exotischer Spielplatz, der einem eine Vielzahl von Möglichkeiten aufzeigt, wie man Fetisch und Kink erleben kann.
Wie würdest du deine Erfahrung in der Fetish- und Kink-Szene als Person of Colour beschreiben?
Ich glaube, die Dinge entwickeln sich zum Besseren, aber es gibt natürlich immer noch Luft nach oben. Ich bin mir bewusst, dass einige Räume nicht dazu bereit sind, farbige Menschen aufzunehmen und sie in Fetisch- und Kink-Räume zu integrieren, da sie keinerlei Interesse an unserer Anwesenheit dort haben. Ich habe oft das Gefühl, dass wir als POC mit Bildern von Tom of Finland oder irgendeiner höchst problematischen, rassistischen Persönlichkeit verglichen werden. Für diejenigen, die sich einbringen wollen, sich aber missachtet fühlen, ist es ein immerwährender Konflikt. Andererseits bin ich aber auch stolz und hoffnungsvoll, wenn ich von einer Gruppe wie ONYX höre, die existiert, um für People of Colour und Transgender innerhalb toxischer hyper-maskuliner Umgebungen einen Raum zu schaffen und Freiräume für sich zu beanspruchen. Ich bin auch stolz darauf, dass Recon in gleicher Weise agiert und zeigt, dass Vielfalt in den verschiedenen Bereichen von Fetisch und Kink erforderlich ist.
Was halten Sie von Tokenismus & Rassenspiel im Fetisch/Kink?
Erstens bin ich mir folgender Tatsache bewusst: Es entspricht der Zustimmung von Personen, die diese bestimmte „Fantasie" in die Tat umsetzen wollen und sich wohlfühlen, eine Szene/Umgebung des Rassenspiels unter Einhaltung eines Verhaltenskodex mit einem Partner zu ermöglichen. Das Rassenspiel ist ein Sprungbrett zwischen den vielfältigen Identitäten innerhalb der Fetisch- und Kink-Gemeinschaften; verschiedene Altersgruppen, Ethnien, Geschlechtsidentitäten (mehrdimensional), sexuelle Rollen und der Kontext, die alle in irgendeiner Weise empfunden und gedacht werden.
Ich befasse mich nicht mit Rassenspielen und Tokenismus, die meiner Meinung nach im Rassismus verwurzelt sind. Ich bin von den Meinungen einzelner Personen nicht überzeugt, die die Idee vertreten, dass das Rassenspiel befreiend ist oder eine Möglichkeit, sich nicht durch Worte unterdrücken zu lassen (die im Rassismus wurzeln!). Tokenismus ist subtil und greifbar, ebenso wie unaufrichtig gegenüber nicht-weißen Körpern und Identitäten. Tokenismus erscheint in der Kommunikation zwischen Profilen als Ausdruck von Komplimenten (noch nie Sex mit einem Schwarzen/Latino/Asiaten gehabt; gutaussehend für einen Schwarzen; begehrender BBC – Großer schwarzer Schwanz). Leider hat Rassismus keine Grenzen – der Rassismus hat einen Reisepass und zeigt sich in der ganzen Welt, an bestimmten Orten und in bestimmten Räumen, sogar innerhalb von Fetisch-/Kink-Gemeinschaften.
Mehr als oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass europäische/euro-amerikanische weiße Männer glauben, Schwarze und farbige Männer seien monolithische Identitäten.
Demzufolge nimmt man eine Haltung ein, als wollte man ein Objekt der sexuellen Begierde einfangen. Diese Begegnungen zeigen, dass sie mich nicht als Individuum sehen, sondern nur als Eroberung. Als Schwarzer bin ich mir sehr wohl bewusst, dass schwarze/farbige Körper, gewollt oder ungewollt, in einem Rahmen von Stereotypen und Vorurteilen gesehen werden. Deshalb bin ich Individuen gegenüber, die sich mit mir nur mit dem Wunsch nach Fetischismus im Sexspiel einlassen, kritisch gestimmt.
Welchen Rat würdest du jemandem geben, der gerade mit der Erkundung der Fetischwelt beginnt?
Nutze die Gelegenheit, kontinuierlich zu lernen; übe dich darin, dich selbst vorzustellen - besonders dann, wenn wir alle wieder zu unseren Lieblingsorten zurückkehren können, um uns zu treffen und gemeinsam zu lachen. Es ist wichtig, Verbindungen zu Leadern, Mentoren und Gruppen herzustellen, die versuchen, die einzelnen Gemeinschaften (Bondage, Leder, Gummi, verschiedene Gear, Pup Packs, usw.) der Fetischwelt zu fördern und die Entwicklung des Fetischs positiv voranzubringen.
Gibt es Fetische und Kinks, die du gerne ausprobieren möchtest, Ausrüstung, die du gerne anziehen würdest oder Fetisch-Events/Partys, an denen du unbedingt teilnehmen willst?
Ich bin neugierig darauf, Seilbondage zu erlernen. Es ist eine aufregende Kunst, aber auch etwas einschüchternd, weil ich denke, dass das die Absicht ist, den Gebrauch des Seils auf verschiedene Arten zu erlernen.
Was die Gear anbelangt, möchte ich einen Ganzkörper-Gummianzanzug haben und Veranstaltungen besuchen, aber natürlich, in voller Fetischmontur! Ich bin ein großer Full Fetish-Event-Fan. Ich freute mich darauf, als FF in der Sound Factory in San Francisco stattfand, es war ein unglaublicher Abend, an dem man viel Spaß haben konnte, auf verschiedene Art und Weise, in Gear und ganz ungezwungen. Ich erinnere mich an den Besuch einer meiner ersten Full Fetish-Veranstaltungen in Chicago im Jackhammer, wo ich einen Mix aus "Bären" und Kink-/Fetisch-Enthusiasten antraf. Die IML- (International Mister Leather) und die Bear Pride-Woche finden zur gleichen Zeit in Chicago statt und ich war froh, dass kein Konkurrenzgefühl aufkam, als man einzelne Personen von einem Event zum anderen lockte, sondern wir uns zusammensetzen und Spaß haben konnten.
Ich hoffe, dass die Full Fetish im Jahr 2021 noch größer und unanständiger nach San Francisco zurückkehren wird! Natürlich hat Covid-19 uns sämtliche Reisepläne für Leder- und Kinkevents über den Haufen werfen lassen, doch ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr an der IML 2021 und möglicherweise auch an der Folsom Europe 2021 teilnehmen kann. Folsom Europe habe ich zwar bisher noch nicht besucht, aber ich habe beobachtet, dass Gummi dort einen markanten Platz neben Leder einnimmt, was ich fantastisch finde. Europäische Kink- und Fetischgemeinschaften haben Freiräume und eine Denkweise, die ihre Mitglieder nicht behindert, natürlich sage ich das als eine Person, die in den Vereinigten Staaten lebt und aus der Ferne auf Europa schaut. Es scheint dabei eine Förderung der Sexualität zu geben, welche nicht nur auf eine bestimmte Zeit im Jahr beschränkt ist.
Wie sieht die Fetisch-Szene in deiner Heimatstadt aus?
Ich finde, dass die Fetischszene in der Bay Area während der Pride-Saison, Up Your Alley (Dore Alley) und Folsom Street Fair floriert bzw. auflebt, doch der Handlungsbedarf besteht darin, noch mehr Räume für die Fetisch- und Kink-Szene zu schaffen. Ich weiß, dass die Leder-, Fetisch- und Kink-Communities das ganze Jahr über Spendenaktionen veranstalten, doch wie kann man diejenigen, die nur zur Folsom und Dore Alley vorbeikommen, dazu bringen, sich das ganze Jahr über zu engagieren? Indem man mit einer Spende (für das Bezahlen des Eintrittsgeldes zu den Veranstaltungen!) und Freiwilligenarbeit dazu beiträgt, das Vermächtnis der Leder- und Fetischräume am Leben zu erhalten.
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