MITGLIEDER ARTIKEL: Wir sind alle nur Menschen
von
Recon News
22 Mai 2020
Von EkkoBabou
Ich habe lange gezögert, ob ich überhaupt einen Artikel für Recon schreiben soll, doch ich habe einiges zu erzählen und meine Freunde haben mich dazu ermutigt, es einfach zu wagen. Diese sehr merkwürdige Zeit, die wir durchleben, ist eine gute Gelegenheit zur Selbstreflexion, also... los geht's!
Mein Name ist Ekko, ich bin 19 Jahre alt und lebe in Frankreich, wo den Menschen ebenfalls Ausgangsbeschränkungen auferlegt wurden. Ich möchte meine Meinung zu etwas äußern, das heutzutage besonders wichtig ist: eine positive Einstellung und Freundlichkeit. Lebensbejahend zu sein und Sachen positiv zu sehen war noch nie so wichtig wie heute, obwohl ich mir darüber im Klaren bin, dass das schwierig ist, wenn man die aktuellen Nachrichten und die Tatsache berücksichtigt, dass unsere Länder - einige auf recht extreme Art und Weise - abgeriegelt sind. Noch schwieriger ist es, wenn wir Menschen kennen, die zur Risikogruppe gehören, die sich mit dem Virus angesteckt haben, oder schlimmer noch: wenn sie unter den Folgen der Krise leiden. Aber es ist entscheidend, dabei positiv zu bleiben. Aber warum ist das so?
Zunächst einmal, für Hypochonder (wie mich) und für alle anderen: Voller Energie und fröhlich zu sein, stärkt das Immunsystem. Positiv zu denken, macht auch den Alltag für sich selbst und für andere angenehmer. Würde es Dir gefallen, wenn Dein Lebenspartner ständig mürrisch oder depressiv wäre? Das bezweifle ich sehr! Wir sitzen alle im selben Boot, selbst wenn die Bedingungen der Ausgangsbeschränkungen für jeden unterschiedlich sein mögen. Einige von uns leben in großen Häusern mit großen Gärten und andere in 9 qm großen Studentenwohnungen, was bei einigen meiner Freunde zum Beispiel der Fall ist. Wir sind für die gegenwärtige Situation nicht verantwortlich, warum also verschwenden wir unsere Zeit damit, mürrisch zu sein? Das ändert nichts und dem Virus ist es sowieso egal. Aber positiv an die Sache ranzugehen wird uns dabei helfen, der Situation besser zu begegnen und bringt mehr Gelassenheit in unser Leben.
Eine positive Einstellung zu haben bedeutet auch, freundlich zu sein. Freundlich zu sich selbst und zu anderen zu sein. Freundlichkeit spiegelt sich in Handlungen der Mitmenschen wider, wie z.B. zu Hause zu bleiben und die geltenden Regeln und Maßnahmen zu respektieren. Freundlichkeit bedeutet, dass die Menschen in ihren Wohnungen jubeln und klatschen - das motiviert die Ärzteteams und schafft ein positives Mindset! Erkennst du diese Wechselwirkungen? Eine positive Einstellung verbreitet sich wie Pollen und deshalb ist Freundlichkeit ansteckend, noch mehr als das Virus.
Einige meiner Freunde (wie z.B. mein Master) beschreiben mich als einen freundlichen Menschen und das macht mich glücklich, da ich jeden Tag darauf achte, Freundlichkeit zu zeigen. Ich bin auch rücksichtsvoll und freundlich, wenn es um Fetisch und Kink geht. Bondage ist total mein Ding. Ich denke, dass selbst wenn sich in der BDSM-Gemeinschaft die Codes und der Kodex von denen der normalen Gesellschaft unterscheiden, müssen wir uns an die gleichen Werte halten, die wir auch im täglichen Leben anwenden.
Manchmal scheinen die Menschen die elementare Bedeutung des Respekts zu vergessen. Schließlich sind wir alle Menschen, wir sind Geschöpfe mit einem Gewissen zu jedem Zeitpunkt. Das bedeutet, dass wir alle unsere Makel und unsere Angewohnheiten haben, die entweder gut oder schlecht sein können. Dennoch sollten wir dafür sorgen, dass diese gegenwärtige Situation für uns alle erträglich bleibt und dass wir uns alle gegenseitig respektieren. Und BDSM bildet dabei keine Ausnahme.
Freundlich zu sein bedeutet auch, stets den Respekt gegenüber anderen zu wahren, auch wenn sich dieser Wert bei SM-Rollenspielen ändern bzw. verschieben mag. Wenn die Session vorbei ist, finden die menschlichen Interaktionen statt und die Dominanz, Unterwerfung, und so weiter bricht ab. Sich um jeden Preis unglaublich ernst zu nehmen und sich dauerhaft wie ein Alpha-Tier oder ein absoluter Dom zu verhalten, führt definitiv zu nichts, nicht nur, weil es außerhalb des Fetischs keinen wirklichen Wert hat, sondern auch, weil es für viele Menschen einfach unangemessen, ja sogar nervig sein kann. Wir sind alle Menschen und können nicht 24 Stunden am Tag Welpen, Alpha oder Master sein. Wir brauchen auch mal eine Auszeit - wir müssen auch mal Sessions beenden.
Letztlich wird mir oft vorgeworfen, dass ich versuche, die Welt zu retten, ungeachtet der Tatsache, dass sie schon seit Jahren so ist, wie sie ist. Aber ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin: Viele von uns haben bemerkt, dass es eine bestimmte Art von Menschen gibt, die keinen Respekt zeigen und davon besessen sind, miteinander zu konkurrieren. Sollen wir zusehen und einfach nichts tun? Trotz meines jungen Alters ermutige ich die Gemeinschaft, darüber nachzudenken.
Wenn Du mit Deinem Spielkumpel zusammen bist und gerade mal keine Session stattfindet, verhältst Du Dich mit ihm genauso wie mit einem guten Freund oder wie mit jemandem, der Dir nahesteht? Logischerweise wirst Du Dich nicht so verhalten wie mit deiner Oma - das wäre einfach nur seltsam. Aber wenn Ihr gerade nicht zusammenspielt, bleibt Dein Verhalten gleich? Soweit es mich betrifft, lautet die Antwort nein. Und das hat mich ein wenig zum Nachdenken gebracht.
Zunächst einmal sind meine Beziehungen zu meinen Spielkameraden rein sexueller Natur, es gibt also keine emotionale Verbindung zwischen uns. Zweitens hat die Schwulenszene eine Art "Sexkonsum"-Mentalität: Männer treffen sich, ficken, gehen und meistens reden sie nicht mal miteinander oder sehen sich nie wieder. Ist sowas wirklich repräsentativ für gutes menschliches Verhalten? Genauer gesagt, wenn es um BDSM und Kinks geht, habe ich das Gefühl, dass es eine ganze Menge Heuchelei gibt. Natürlich, wenn wir Männer sehen, die uns nicht gefallen, spielen wir nicht mit ihnen, ganz einfach. Aber warum um alles in der Welt haben wir das Bedürfnis, sie hinter ihrem Rücken zu kritisieren, manchmal ohne sie überhaupt zu kennen? Ich weiß, dass, wenn ein Mann gefährlich ist, wir uns einfach von ihm fernhalten werden. Aber andererseits: Wenn Männer nicht miteinander reden und wenn niemand mit besagtem Kerl spricht, woher soll er dann wissen, dass er ein Problem hat?
Freundlichkeit ist "leben und leben lassen". Es ist wichtig zu wissen, wie man miteinander leben kann, wie man sich gegenseitig in Ruhe lassen kann und wie man sich untereinander nicht fertig macht. Anderen gegenüber Respekt entgegen zu bringen und niemanden zu verletzen.
Ich weiß, Du denkst, dass Du keinen Vortrag eines 19-Jährigen brauchst. Kann ich verstehen. Aber ich habe das Problem nicht geschaffen - ich versuche nur, die Dinge besser zu machen. Das Problem kommt auch nicht von den Leuten, die mir vorwerfen, dass ich ein Gutmensch bin. Die Wurzel liegt vielmehr darin, dass die Menschen sich unsozial verhalten und dass sie die guten Manieren vergessen haben, doch sie geben es nicht zu, weil sie glauben, alles besser zu wissen. Und solange es diese Menschen gibt, wird es immer jemanden geben, der bereit ist, Dir in den Rücken zu fallen, auch wenn er Dich gar nicht kennt. Ich bin der Meinung, dass die Welt, anstatt dieser Einstellung zu folgen, ein besserer Ort wäre, wenn wir alle ein wenig mehr Freundlichkeit zeigen würden.
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