MITGLIEDER ARTIKEL: Sensory Subbing – oder: die Sinne als Sub entdecken
von
Recon News
15 August 2018
Von Mitglied OhBilly aus dem Team Recon
In der Nacht, als ich entdeckte, dass ich in Gedanken ein Sub sein konnte, sagte ich zu dem Typen, der der Dom sein sollte: „Ich bin ein stolzer Bottom, aber kein Sub." Nur ein paar Stunden später betrachtete ich noch mal dieses frühere Statement. Es stellte sich heraus, dass ich nie zuvor wirklich erlebt hatte, einer zu sein* oder die verschiedenen Arten, in denen man sich unterordnen kann, in Betracht gezogen hatte.
In meinem Profil steht, dass ich 90% passiv bin, aber was bedeutet das in der Wirklichkeit? Ich bekomme oftmals Nachrichten von Leuten, die von mir erwarten, dass ich ein Sub bin, aber ich selbst habe mich nie wirklich so gesehen. Für mich bedeutet dieses Prädikat, dass ich (im wörtlichen wie im übertragenen Sinn) ein massiver Bottom sein müsste, aber für andere geht es um das Dom/Sub Spektrum. Manche denken, dass diese Dinge Hand in Hand gehen, aber wie die meisten von uns wissen, ist das nicht immer der Fall.
Ich habe den Ausdruck "Power Bottom" wahrscheinlich je nur benutzt, wenn ich über mich selbst im Spaß gesprochen habe, aber das erste Mal, als ich die Erfahrung machte, ein Sub zu sein, hatte ich eine Eingebung, dass das vielleicht seit langem meine Vorgehensweise war. Aber dazu muss ich noch ein Stückchen weiter zurückgehen…
Am Tag von Recon UnSensored meldete sich ein Typ, mit dem ich bis im vorigen Jahr gechattet hatte, zurück. Praktischerweise lebte er in Vauxhall, nicht weit von der Party entfernt. Nach vielen Beinahe-Treffen, schien dies wie eine „Jetzt oder nie"-Situation, weshalb ich ihm sagte, dass ich nachdem ich mit der Party fertig war, planen würde, bei ihm vorbeizuschauen. Ich könnte ja für einen Drink und ein persönliches Gespräch vorbeikommen, aber nicht mehr, da ich am nächsten Morgen einen Zug in den Norden bekommen musste. Das ging für ihn in Ordnung, weshalb ich sagte, dass ich mich melden würde.
Die Party fand statt. Die Party war super. Ich tat meine Arbeit. Ich hatte ein paar Drinks. Ich hatte Spaß. Ich hatte gecheckt, ob er noch wach war. Er war es. Ich ging zu ihm.
[Bemerkung am Rande: Ich hatte nicht meine vom Schaum durchnässte Fahrrad-Gear und den Jockstrap umgezogen, weshalb meine Ein-Drink-und-dann-weg-Absicht… im besten Fall fragwürdig war].
Ich kam bei ihm an und nach einem Jahr der Anbahnung war es eine angenehme Überraschung, dass er in Wirklichkeit noch heißer aussah als auf seinen Bildern (ein weiterer Schlag gegen meine Pläne, sich früh zu verabschieden). Wir setzten uns hin, tranken Wein und begannen uns zu unterhalten und damit meine ich, sich WIRKLICH zu unterhalten. Wir kamen in Fahrt. Für Stunden. Er fragte mich so viele Fragen und ich war ein offenes Buch. Wir sprachen über das Leben und Erfahrungen und Standpunkte und Absichten – darunter auch, wie wir beide mit Fetisch und Kink umgingen. Nichts davon war eine Einleitung für das Play; ich fand mich damit ab, dass es mehr zu einem netten Abhängen wurde. Es wurde spät/früh und wir waren beide wahrscheinlich sowieso zu müde. Und da erwähnte ich, dass ich eigentlich noch nie wirklich BDSM richtig probiert hatte.
"Steh auf! Zieh' Dich aus!" sagte er, während er eine Schublade öffnete und nach einer Augenbinde griff. „Leg' die an". Ich tat, was mir befohlen wurde. Ich machte Anstalten zu sprechen und er brachte mich zum Schweigen; von da an kannte ich meinen Platz. Und das war weitest gehend alles, wenn es für die nächsten Stunden um Konversation ging.
Ich stand in meinem Jockstrap mitten in seinem Wohnzimmer. Mit einer Augenbinde und mich dabei seltsam wohl fühlend. Ich hatte nicht immer das beste Selbstvertrauen, wenn es um meinen Körper ging, aber dadurch, dass wir uns durch das lange Gespräch kennen gelernt hatten, kam es zu dem Effekt, dass ich mich locker fühlte. Auch eine Augenbinde zu tragen, fühlte sich seltsam gut an. Ich stand da in Erwartung, nicht genau zu wissen, was jetzt passieren würde. Ich wartete. Und stand. Und ein wachsendes Gefühl der Vorahnung begann sich in mir aufzubauen bis ich mich auf der Stelle zu bewegen begann. Da sagte er zu mir, dass ich stillstehen sollte und begann mich anzufassen.
Er begann seine Finger vorsichtig über meinen Körper streifen zu lassen, in unregelmäßigen Abständen innehaltend und bewegte sie immer zu einer anderen Stelle, weshalb ich nicht vorausahnen konnte, wo sie als nächstes hingingen. Das Gefühl war angenehm, wenn nicht ein bisschen kitzlig. Ich lächelte nervös und versuchte in der Situation zu bleiben. Als er jedoch weiter machte, ließ meine Nervosität nach und ich fühlte wie ich die Berührung sehr bewusst wahrnahm. Die Pausen fühlten sich endlos an und als er mich dann am Ende wieder berührte, ging es wie ein Schlag durch mich. Mein Körper zuckte und kribbelte, als er seine Hand und andere Sachen benutzte um meine Haut zu streicheln.
Als er anfing mit meinen Brustwarzen zu spielen, hatte ich kurz etwas Bedenken, da die immer eher unempfindlich waren und ich Angst hatte, dass er von meiner Reaktion enttäuscht sein würde. Aber dieser Typ wusste genau, was er machte. Er schenkte ihnen überschwängliche Aufmerksamkeit, arbeitete so stark und so lang an ihnen, dass ich geschockt war, wie gut sich das anfühlte.
Als das Spiel weiterging, fing ich an, meine physischen und mentalen Reaktionen nach und nach mehr wahrzunehmen. So wie ich da stand, musste ich mich total zusammenreissen, nicht zuzugreifen und ihn auch zu berühren. Ich spannte meine Fäuste an um sie im Zaum zu halten und biss auf meine Lippe um mich davon abzuhalten ihn zu küssen, wenn er mir nahekam. Das war ungefähr der Moment, als ich meine Eingebung hatte: Ich war es gewöhnt, die Kontrolle zu übernehmen; ich war es gewöhnt das Spiel zu diktieren. Nicht immer, aber oft war ich derjenige, der anführte. Egal ob ich derjenige war, der auf meine Knie fiel; derjenige war, der eine Location aussuchte; derjenige war, der sagte, wann und wo oder derjenige war, der vorlegte; auf vielen kleinen Wegen war ich öfters in Kontrolle – ein Power Bottom, wenn man so will. Deshalb war es abartig aufregend und auf verrückte Art befreiend, fast Null Kontrolle über eine Situation zu haben. Was passieren sollte, würde passieren und ich musste einfach komplett loslassen und es akzeptieren – es fühlte sich auf die bestmögliche Art intensiv an.
Die Session ging noch eine ganze Zeit weiter und er führte mich am Ende zu seinem Bett, ich die ganze Zeit mit der Augenbinde. Ich war nur noch Wachs in seinen Händen und nahm glücklich alles auf, was er mir bot (wozu auch gehörte, dass er mein Loch leckte, mehr als es je zuvor geleckt wurde von einem wahren Meister der Kunst). Ich brauche nicht zu sagen, dass ich diesen Zug am Morgen nicht genommen habe…
In meinem Kopf war, ein Sub zu sein, etwas ganz anderes als was ich an diesem Abend erlebte. Meine Annahme war, dass es etwas mit Demütigung und Erniedrigung zu tun haben musste, und das zog mich wirklich nicht so an. Was ich aber lernte, war, dass es mehr mit Kontrolle, Macht und Vertrauen zu tun hat. Es muss nicht um Aggressionen gehen, sondern kann stattdessen etwas sehr intensiv Freundliches sein. Durch diese eine Session wurden mir die Augen für einige Wahrheiten geöffnet, die ich niemals vorher sah. Ich verstehe, dass sich für einige diese Erfahrung als nicht besonders bedeutsam liest, aber für mich war es ein riesiger Schritt auf meiner Fetisch/Kink-Reise. Ich weiß immer noch nicht, ob ich mich jemals vollständig als Sub identifiziere, aber es ist schön zu wissen, dass ich Sub-Neigungen in mir trage und dass ich über meine Grenzen hinausdenken und andere Arten des Play genießen kann.
* Also eigentlich, wie in Fetisch-Probleme dokumentiert (die sind zwar anonym verfasst, aber wenn vom Schreibstil ausgeht, kann man ziemlich genau sagen, wer wer ist), habe ich auch schon mal früher mein Glück als Telefon-Sub versucht.
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