MITGLIEDER ARTIKEL: Puppy Play, Furries und Rollenspiel

MITGLIEDER ARTIKEL: Puppy Play, Furries und Rollenspiel

von Recon News

15 Dezember 2019

Von PandaManJB

Lernen, mich selbst durch die Augen von jemand anderem wertzuschätzen und zu akzeptieren.


Ich bin 30 Jahre alt, 1,70 Meter groß und wiege 90 Kilogramm. Ich habe mal Kampfsport betrieben; das hilft mir dabei, über die Tatsache hinwegzukommen, dass ich übergewichtig bin. Ich sehe korpulent aus. Glaube ich. Ich mag mich selbst ohnehin nicht so sehr, weshalb ich immer wieder Wörter finden werde, um mich schlecht zu machen, um dann wiederum aus Frust Essen in mich reinzustopfen. Am liebsten Fastfood. Die Kombination von Zucker und Fett ist so fruchtbar, wie es süchtig machend ist.

Als Kind war ich dick, durch eine spezielle Diät, die sich „Keine Snacks zwischen den Mahlzeiten und das Essen von kleineren Portionen" nannte, war ich jedoch dazu in der Lage, das meiste davon loszuwerden, bis zu dem Punkt, dass ich mit 17 Jahren nur noch 59 Kilo wog und unglaublich sportlich war (Sport jeden Tag nach der Schule half mir dabei). Doch es kam der Moment, als ich mein Elternhaus verließ und für die Uni in eine kleine Studentenwohnung zog, wodurch ich meine Eltern nur noch an Weihnachten und während der Sommerferien sehen konnte.

Ich konnte zwar ziemlich gut kochen, allerdings gab es da zwei Feinde, die ich nicht bedacht hatte: Faulheit und Einsamkeit. Wenn man zuhause sitzt und keine Freunde hat, mit denen man sich treffen, oder Orte, zu denen man hingehen könnte, hört man auf, einen gewissen Standard zu wahren und fängt an, lieber Pizza oder Kebab zu essen, um diese Welle an Endorphinen zu bekommen, anstatt Lebensmittel einzukaufen, sie vorzubereiten, zu kochen, zu essen und anschließend abzuwaschen. Ich hatte immer eine Ausrede parat, warum ich „mir das jetzt verdient hatte".

Nach 10 Jahren, ich fand in der Zwischenzeit eine Gruppe von loyalen Freunden und ging zur Therapie, habe ich endlich meine Depression und den Mangel an Selbstliebe erkannt. Seitdem ist es ein schwerer innerer Kampf. Doch bereits zuvor hatte ich unbewusst andere Sachen ausprobiert, um damit fertig zu werden. Ich bin:

- ein Furry, seitdem ich 17 Jahre alt bin
- 2 Jahre auf die Schauspielschule gegangen (18. bis 20. Lebensjahr)
- ein Kinkster, seitdem ich 21 Jahre alt bin
- ein Rollenspieler, seitdem ich 25 Jahre alt bin
- ein Puppy und Herrchen, seitdem ich 26 Jahre alt bin
- ein LARPer (Live Action Rollenspiele), seitdem ich 27 Jahre alt bin

Alles kleine Gruppenaktivitäten. Alle mit dem Ziel, eine Erzählung, entworfen von jemand anderem oder von deinen Partnern und dir, zu konstruieren. Alle da, um dir eine kleine Bühne zu bieten, wo andere zu dir hochschauen oder mit dir zusammen performen können. Alles über die Erschaffung eines Charakters, der nicht du bist, aber sich dennoch…irgendwie so anfühlt und so aussieht wie du. Wenn ich meine Charakter spiele, steuere ich zwar alles, allerdings fühlt es sich so an, als ob ich auf der Rückbank oder im Kofferraum sitze und von weitem zuschaue. Jede Aktion, Reaktion, jeder Schachzug und jede Entscheidung, die ich treffe während ich einen Charakter verkörpere, scheint zu zählen, scheint Gewicht zu haben und scheint wichtig zu sein. Ich verwerfe alle meine Ängste, da mein Charakter sie ja auch nicht hat und weiß immer, was zu tun ist, weil die Fähigkeiten, die er benötigt und benutzt, genau so definiert sind, wie seine Ziele, Wünsche und Bedürfnisse. Des Weiteren sind alle Beziehungen klar und das Ziel einer jeden Konversation ist kein schwieriges Unterfangen, da beide Parteien wissen, was sie sich von ihr versprechen. Doch vor allem ist alles fiktional. Egal, ob ich ein Vampir, ein Privatdetektiv, ein Panda, ein Puppy, ein Master oder ein 300 Jahre alter Zwerg bin – es verleiht mir das Gefühl von Furchtlosigkeit, welche ich einfach nicht in mein reales Leben übertragen kann.

Wenn ich mal einen schlechten Tag habe oder ich an einem meiner Ziele scheitere, hat das keine Konsequenzen für mein Leben, bis auf: „Mist, das hätte ich anders machen können…naja, mache ich halt beim nächsten Mal besser!".

Als autistische Person (die genaue Diagnose steht noch aus), sind soziale Interaktionen für mich eine ständige Herausforderung und sehr anspruchsvoll bzw. energieintensiv. Diese ganzen Charakter, Geschichten und Kreationen haben es mir ermöglicht, viele unterschiedliche soziale Situationen zu „proben" und „einzustudieren", selbst, wenn manche davon aus dem Kontext gerissen vielleicht unplausibel oder lächerlich erscheinen mögen, da Menschen ja immer noch wie Menschen agieren – egal, in welchem Rahmen oder Setting sie sich befinden.

Ich bin seit beinahe 13 Jahren in fiktionalen und semi-fiktionalen Gefilden unterwegs und spiele mit und erfreue andere Menschen. Seit 13 Jahren bekomme ich auch von meinem Publikum Komplimente, werde verehrt, man lacht mit mir und reißt meine verschiedenen Rollen, Charaktere und Avatare auf. Die Menschen scheinen diese Rollen mehr zu mögen, als mein wahres Ich und ich werde dem ganzen so langsam überdrüssig. Ich glaube, ich werde mich dazu bereit machen, meine Charaktere aus dem Fokus zu nehmen und anfangen, ich selbst zu sein. Drückst Du mir die Daumen für mein Vorhaben?

Wenn auch Du Deine persönliche Fetisch-Reise in Form eines Recon-Artikels veröffentlichen möchtest, sende uns Deine Ideen oder einen ersten Entwurf an: social@recon.com

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