MITGLIEDER ARTIKEL: Gefesselt von meiner Kunst
von
Recon News
19 Dezember 2019
Von Safeandbound
Vor vier Jahren bin ich nach Madrid gezogen, um Illustration zu studieren, ohne dort jemanden überhaupt ansatzweise zu kennen oder Erfahrung in der Fetisch-Welt zu haben. Wenn jemand mir zu diesem Zeitpunkt von all dem erzählt hätte, was mich erwarten würde, hätte ich ihm das nie geglaubt.
Madrid ist eine Stadt voller Möglichkeiten, wenn man weiß, wie man das Beste draus machen kann.
Ich habe schon immer sehr gerne Animationen und Comics gezeichnet, konnte aber nie so richtig meinen eigenen Stil finden und wusste nicht, worauf ich meine Arbeit fokussieren sollte, obwohl ich immer wusste, dass ich mein Können der Illustration widmen wollte. Ich fühlte ein großes Interesse an Bondage vom ästhetischen Gesichtspunkt aus, wobei die einzigen Berührungspunkte damit Videos, die ich mir im Internet anschaute, sowie Comics waren. Viele Bondage-Szenen in Comics, wie Spiderman oder Avengers inspiriertet mich dazu, meine ersten Kink-Abhandlungen zu zeichnen. In Madrid wollte ich auch unbedingt Bondage selbst ausprobieren, doch ich litt unter sozialen Ängsten, die es mir schwer machten, mich in jedwedem Umfeld sozial zu verhalten, in der Uni, auf der Straße, in sozialen Netzwerken…
Meine ersten Erfahrungen waren also nicht die besten, aber halfen mir dabei, zu lernen und nicht den Wunsch zu verlieren, mehr zu entdecken von dem, was mich so an Bondage faszinierte.
Es brauchte nicht lange, bis ich Rubfus traf, einen der Menschen, die ich heutzutage am meisten innerhalb der Fetisch-Gemeinschaft schätze. Er zeigte mir Fetische, die ich nicht kannte, wie Puppy Play und Gummi und nahm mir den Respekt davor, sodass wir bald Freunde wurden. Er empfahl mir auch, meine Fähigkeiten im Zeichnen mit meinem Interesse für Bondage und die Fetisch-Welt zu kombinieren, einen Instagram-Account zu erstellen und dort meine Zeichnungen zu veröffentlichen. Er war mein erstes Modell und obwohl ich keine wirklichen Erwartungen bezüglich des Projektes hatte und als unbekannter Künstler anfing, ging die Arbeit besser voran, als ich es erwartet hatte und gab mir die Motivation, weiter an dem Projekt zu arbeiten, das ich inzwischen als „Die Kunst des Fetisch" bezeichne.
Das war ein Wendepunkt, sobald ich erkannte, dass die meisten meiner Follower zu einer Fetisch-Gemeinschaft, bekannt unter dem Namen Kinkstagram, gehörten - eine Gemeinschaft, vor der ich Angst hatte, ihr beizutreten, die mich aber auch inspirierte und große Bewunderung in mir weckte. Ich begann damit, den Kinkstern zu folgen, die mich am meisten inspirierten, zeichnete Fotos, die sie auf ihren Profilen posteten oder bat sie um Inhalte, die ich dann zeichnete. Diese Leute teilten ihre Fetisch- und Kink-Erfahrungen in sozialen Netzwerken einfach nur, weil es ihnen Spaß machte und weil sie andere inspirieren und ihnen Mut machen wollten. Ich war inspiriert in einer Art und Weise, die ich nicht zu beschreiben vermag. Ohne die ersten Menschen, die für mich Modell standen, ohne etwas als Gegenleistung dafür zu erwarten, wäre ich mit meinem Projekt nie so weit gekommen. Innerhalb von nur zwei Monaten bekam ich Anfragen von Personen, für die ich etwas zeichnen sollte - selbst von Leuten, bei denen ich mich vorher nie traute, sie persönlich anzuschreiben. Mir wurde bewusst, dass ich ein breit gefächertes Publikum hatte, auf das ich meine Arbeit fokussieren musste und fand einige unglaublich gute Künstler, die dieses Publikum und die Leidenschaft für die Themen mit mir teilten, wie der berühmte James Newland, ein Genie und eine große Quelle der Inspiration, oder mein Freund Glaube (auf Recon), ein wahrer Leder-Künstler, der ebenfalls in Madrid lebt.
Mein Schaffen wurde allmählich wertgeschätzt und ich fühlte mich wirklich ausgezeichnet als Künstler, sobald ich damit begann, meine Zeichnungen zu verkaufen und zusätzlich dazu Aufträge erhielt. Weil ich es sehr genoss, meine Kunstwerke zu erstellen und dann zu verkaufen, wurde ich immer weniger ängstlich, wenn ich mit anderen Menschen redete, die mir Aufträge gaben oder mir Komplimente aufgrund meiner eigenen Arbeit machten, wodurch mein Selbstbewusstsein anstieg. Zusätzlich dazu hatte ich auch in der Realität mehr Bondage-Erlebnisse, lernte meine Vorlieben und Limits besser kennen und sammelte Fotos, die ich dann im Anschluss daran zeichnete.
Jedoch machte ich mir auch zunehmend Gedanken über die Likes und Follower, dachte, dass sie ausschlaggebend wären, um meinen Zeichnungen eine Bedeutung zukommen zu lassen, beeinflusst von einigen negativen Individuen, die mir nicht gut taten.
Ich entschied mich dazu, mir einen eigenen Account auf Kinkstagram zu erstellen, da ich, im Gegensatz zu Recon, meine Erfahrungen teilen, ein größeres Interesse an meinen Zeichnungen bei meinen Abonnenten hervorrufen und andere inspirieren konnte.
Dies bescherte mir nicht nur ein größeres Interesse an meinen Zeichnungen, sondern ich bekam auch schon bald Nachrichten von Kerlen, die mich treffen und mit mir Bondage-Spaß haben wollten, um Erfahrungen zu teilen wie die, die ich auf meinem Profil veröffentlicht hatte. Zahlreiche Erlebnisse und Sessions sollten folgen, auch wenn nicht alle von ihnen toll waren. Tatsächlich war eine Erfahrung von so negativer Natur, dass ich der Fetisch-Welt beinahe für immer adieu gesagt hätte.
Die gute Nachricht ist, dass man immer dazulernt - ich lernte dazu, mich selbst wertzuschätzen, das Beste aus mir herauszuholen und mich fernzuhalten von Menschen, die mir nicht gut tun. Ein paar Monate später, nachdem ich mich erholt hatte, realisierte ich, dass ich das pausiert hatte, was mich überhaupt dazu veranlasst hatte, mit all dem zu beginnen: meine Zeichnungen. Ich fokussierte mich vollkommen darauf bis zu dem Punkt, dass ich meine erste Ausstellung für Fetisch-Zeichnungen in Chueca, im Zentrum Madrids, dank der Hilfe des SLFC (Spanish Leather and Fetish Community) eröffnete.
Ich widmete mich ebenfalls wieder den Bondage-Sessions und performte mit Glaube und mehreren anderen Freunden auf Fetisch-Events. Ich kam zu der Erkenntnis, dass meine gesellschaftlichen Ängste beinahe verschwunden waren und dass es in meinem Umfeld immer mehr Leute gab, die mich über den Fetisch-Aspekt hinaus wertschätzten, gute Freunde und Gesellschaft. Ich benutzte immer noch soziale Netzwerke, ging aber anders an das Thema heran und hörte auf, mich nach den Likes und Follower-Zahlen zu orientieren, wandelte meine Profile um in ein weiteres Werkzeug, um meine Kunst bekannt zu machen.
Wir leben in einer Welt, die durch soziale Netzwerke bestimmt wird, wo es so scheint, als ob man ohne 10.000 Follower ein Niemand und irrelevant sei. Selbst in der Fetisch-Welt gibt es Leute mit dieser Mentalität, deren Obsession der Ruhm ist und die Vorteile, die er mit sich bringt. Das führt dazu, dass junge oder neue Menschen in der Gemeinschaft sich in der Szene unsicher fühlen und keinen Mut haben, loszulegen, da sie nur das große Bild sehen. Für mich ist das Beste an der Fetisch-Welt die Möglichkeit, neue Leute zu treffen, neue Sachen auszuprobieren und neue Fetische zu entdecken - einfach Erfahrungen zu sammeln, von denen man was lernen kann. Egal, ob sie jetzt gut oder schlecht sind - es gibt immer etwas zu lernen.
Im letzten Jahr habe ich mehr erreicht, als ich mir vor vier Jahren hätte träumen lassen. Menschen, bei denen ich nicht gedacht hatte, dass ich sie jemals kennenlernen würde, sind inzwischen meine Freunde, wie beispielsweise Hairylittlepig, Cuteplaytoy, Mancsbondage, Addicttedtoropes, FreaveBound, Puppy Oddie, Domdomscott und Englishkinks - um nur ein paar zu nennen. Dank meinen Zeichnungen bin ich dazu in der Lage, zu reisen, noch mehr interessante Leute zu treffen und reale, inspirierende Erfahrungen zu sammeln. Ich habe es endlich geschafft, die zwei Sachen zu kombinieren, die mir am meisten am Herz liegen: Kunst und Fetisch.
Zur Zeit konzentriere ich mich darauf, mein letztes akademisches Jahr in Illustration abzuschließen, arbeite aber auch weiterhin an maßgeschneiderten Kink-Comics, Portraits und einem persönlichen Projekt, dass ich hoffentlich in etwas mehr als einem Jahr veröffentlichen kann: ein Comicroman basierend auf vielen Fetisch-Erfahrungen persönlicher Natur, sowie denen von einigen meiner Freunde aus der Szene.
Wenn auch Du Deinen persönlichen Fetisch-Werdegang und die Art und Weise, wie Fetisch und Kink Dich inspiriert haben, in einem Recon-Artikel veröffentlichen möchtest, sende uns Deine Ideen oder einen ersten Entwurf an: social@recon.com
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