MITGLIED: Mumifizierung, die Kunst

MITGLIED: Mumifizierung, die Kunst

von Recon News

28 Oktober 2020

Von Mr2u

Im Januar 2008, nachdem ich eine 8-jährige Beziehung mit meinem ersten langjährigen Partner beendet hatte, war ich auf mich allein gestellt und musste mich selbst finden. Kurz nach meinem Umzug hatte ich mein erstes "Date" mit einem jüngeren Mann, der auf Bondage stand. Wir hatten eine Weile lang miteinander gechattet und wir beschlossen, dass er mir als Dom freie Hand lassen würde, das zu tun, was mir gefiel (Safer Sex, versteht sich). Ich war 42, und er war gerade einmal 21 Jahre alt, doch er war viel erfahrener als ich - allerdings hatte ich die Phantasie und Kreativität auf meiner Seite.

Als er bei mir ankam, musste er sich mit dem Rücken auf mein Bett legen. Ich verband ihm die Augen, fesselte ihn mit einigen Krawatten, die ich besaß, an den vier Pfosten meines Bettes und träufelte erhitztes Wachs auf seine Brustwarzen, seinen angespannten Bauch und die Innenseite seiner Oberschenkel. Dann wurde ich recht erfinderisch - Ich berührte die Stellen, die vom Wachs nicht abgedeckt waren, mit Eiswürfeln und fuhr damit an seinem Körper entlang. Diese beiden Elemente wendete ich abwechselnd für einen Zeitraum von 3 Stunden an.

Letztendlich hatten wir, glaube ich, nicht einmal Sex. Ich war von seiner Reaktion so angeturnt, dass ich mir einfach auf ihn einen runterholte! Nachdem alles vorbei war, sagte er: „Wow, ich glaube, ich muss meine These revidieren. Es muss einen Gott geben, denn ich bin sicher, dass ich heute Abend Visionen hatte!". Seine herzlichen Worte waren für mich ein riesiges Kompliment.

Von da an habe ich mein Wissen über Bondage ausgebaut und darüber, was es sowohl für den sub als auch für den dominanten Part bedeuten kann.

Als ich einige Jahre später Freunde in Toronto besuchte, wurde ich von einem älteren Mann angeschrieben und von ihm gefragt, ob ich jemals bei einer Mumifizierung mitgemacht hätte. Er sagte, er sei ein Master für Mumifizierung und fragte, ob ich daran interessiert wäre, mumifiziert zu werden.

Wir trafen uns in seinem Hotelzimmer und er mumifizierte mich. Ich war total fasziniert von diesem Prozess und davon, wie es sich anfühlte. Ich erinnere mich noch, wie ich dabei einschlief! Er war so sanft, fürsorglich und beruhigend. Seine Stimme, ganz tief, mit einem leicht französisch-kanadischen Akzent, dämpfte meine Bedenken.

Einige Tage später lud er mich dazu ein, ihm bei der Mumifizierung eines seiner regelmäßigen subs zu helfen. Wir mumifizierten seinen hübschen, schlanken Freund. Es dauerte anderthalb Stunden, bis die Mumifizierung abgeschlossen war. Mir wurde gesagt, dass dies nicht die übliche Dauer sei, aber weil ich neu war, hatte sich sein sub mit Begeisterung dazu bereit erklärt, unser Versuchsobjekt zu sein. Er lehrte mich alles über die richtige Fürsorge für Geist, Körper und Seele während der Session. Er sagte, als Mumifizierer sei es unsere Pflicht, den sub zu beschützen und unser Bestes für ihn zu geben. Es sei Teil seiner Philosophie, dafür zu sorgen, dass der sub und der Mumifizierer weder Alkohol noch Drogen konsumieren. Sich über die physische und psychische Gesundheit des sklaven bewusst zu sein. Fragen zu stellen und Gewissheit darüber zu haben, was von jedem in die Session Involvierten erwartet wird.

Ich versuche, diesen Lektionen bei jedem einzelnen sub zu befolgen. Wenn ein sub sehr neu in der Bondage-Szene ist, versuche ich, ihn zu ermutigen, mit den einfachen Sachen zu beginnen, wie z.B. in Handschellen gelegt zu werden, an ein Bett gefesselt zu werden oder einfach allein zu sein, mit verbundenen Augen und vielleicht leicht mit Seilen gefesselt, so dass er die Gefühle nachvollziehen kann, die er haben wird, wenn er vollständig mumifiziert ist. Wenn es ihm gefällt, wie sich das anfühlt, dann machen wir weiter. Ich habe noch nie jemanden zu einem Grad der Mumifizierung gezwungen, den er nicht auch selbst einforderte. Einige haben um partielle Fesselung gebeten (zum Beispiel von den Zehen bis zur Taille) und einige wurden fast vollständig von den Zehen bis zum Kopf mumifiziert. Sobald die mumifizierte Person ein hohes Maß an Angst verspürt, endet die Session.

Für mich ist Mumifizierung eine Kunstform. Es ist meine Möglichkeit, eine Skulptur zu schaffen. Es ist mein Weg, ein Porträt zu malen. Es ist meine Art, mein inneres Selbst in der Kunst auszudrücken, die ich mit dem sub als Leinwand schaffe. Einige wirklich großartige subs haben sich mir zur Verfügung gestellt. Einige kamen wiederholt zu mir, um meinen persönlichen künstlerischen Geschmack herauszufordern, mehr zu tun, es besser zu machen, etwas wirklich anderes zu kreieren. Einige sind auch Liebhaber geworden. Der Akt der sexuellen Dominanz und Immobilisierung über sie hat sie regelrecht angetörnt. Die Vorstellung, dass sie völlig wehrlos sind, dass sie keinen eigenen freien Willen haben, hat sie sehr erregt. Und um ehrlich zu sein, auch mich selbst. Doch selbst dann ist der Mumifizierer an die Gebote des guten Benehmens gebunden. Ich erinnere mich an die Stimme meines Mentors: Sei dominant, aber dennoch respektvoll.

Mumifizierung ist eine Nische der Bondage-Szene in Kanada. Nur sehr wenige Menschen praktizieren es hier regelmäßig. In Asien und Europa ist es viel weiter verbreitet. Ich hatte Besucher, die aus England, China, Australien und aus fast allen Provinzen Kanadas kamen, um sich mumifizieren zu lassen. Ich hatte Besucher, die sich im Alter von (mindestens) 18 bis 65 Jahren mumifizieren ließen.

In meinem Profil erwähne ich, dass ich alle Mumifizierungs-Torsos (die bei einer Session entstehende Außenhaut) zu Halloween in meinem Garten aufstelle. Mein Haus ist zum „Gruseligen Haus" und mittlerweile auch zu einer Touristenattraktion geworden. Meine Nachbarn freuen sich über die Reaktion der Menschen, wenn sie an meinem Haus vorbeigehen. Manche bleiben in Ehrfurcht stehen, andere eilen vorbei, ohne aufzuschauen und häufig halten viele Leute an und machen Fotos! Ich habe schon erlebt, dass Leute anhielten und mich nach meinem "künstlerischen Werk" fragten und wie ich es herstelle. Wenn ich es ihnen erzähle, lachen sie entweder peinlich berührt, oder blicken mit einem teuflischen Funkeln in den Augen ihres Partners! Keiner ist wirklich verärgert oder verletzt. Ich bemühe mich, jeden Torso so geschlechtsneutral wie möglich zu gestalten. Mein guter Freund, von Berufs wegen Psychologe, nennt es "Verrückter Serienmörder-Spaß"! Mein Haus ist einer der örtlichen Halloween-Schauplätze. Letzte Woche rief ein kleiner Junge von etwa 5 Jahren seinem Vater etwas zu, als sie vorbeiliefen. Ich verstand das Gespräch nicht, aber der Vater übersetzte für mich: „Er sagte, Ihr Haus sei immer das beste an Halloween". Für mich zählt das zu den schönsten Komplimenten, die ich je erhalten habe!

Ich werde mit der Mumifizierung weitermachen. Ich untersuche mit Hilfe eines neuen subs verschiedene mögliche Materialien. Wir wollen breitere Bandagen, elektrisch leitende Bandagen und möglicherweise auch (leicht durchsichtige) Verpackungsbänder ausprobieren. Er ist begierig darauf, die doppelte Mumifizierung auszuprobieren. Wir sind dabei, seine Toleranz bezüglich der Dauer der Mumifizierung zu steigern. Vor kurzem hat er 4,5 Stunden in einem kleinen Raum verbracht, den ich aus einem begehbaren Kleiderschrank umgebaut habe.

Die Pandemie hat den Mumifizierungsdrang definitiv etwas gebremst, doch mit einem neuen engagierten sub an meiner Seite fühle ich mich darin bestärkt, seine Devotheit und meine Dominanz als Mumifizierer zu erkunden.

Ich hoffe, dass ich eines Tages eine öffentliche Ausstellung zum Thema Mumifizierung realisieren kann. Ich würde diese Kunst gerne aus der Dunkelheit ins Licht der Bondage-Szene Kanadas bringen. Für mich ist es die ultimative Ausdrucksform von Bondage, denn wenn man einmal mumifiziert ist, kann einen niemand mehr sehen. Man sieht nur die Form, die äußere erstarrte Aura von dir und wenn du aus der Mumifizierung herausbrichst, bist du ein neuer Falter geworden, der in der Lage ist, seine Flügel auszubreiten und wegzufliegen und sich wie neu geboren und wiederbelebt fühlt. Und als dominanter Mumifizierer hoffe ich, dass ich eine zentrale Rolle dabei gespielt habe, dem sub dabei zu helfen, Geist, Körper und Seele weiter zu entwickeln.

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