ISSUE_03: Vier komplexe Fragen für eure neue polyamore Beziehung
von
Recon News
20 September 2021
Von Recon Mitglied DomONYX
Oft bekomme ich Fragen zu meinem Poly-Leben, nachdem Leute, besonders Kinksters, meine Poly-Familie gesehen haben und ihre eigene wollen. Diejenigen, die sich als kinky definieren, fühlen sich zu einem Poly-Leben hingezogen, da es eine Befreiung aus den bisherigen Beziehungsmodellen verspricht, die ihre emotionale, sexuelle und romantische Energie auf einen einzigen Partner konzentrieren. Wenn man sowieso schon die Paradigmen der sexuellen Heteronormativität überwindet, warum nicht auch die der Monogamie überwinden?
Polyamorie scheint attraktiv, weil die Leute denken, dass es nur darum geht, Sex zu haben oder mit einer Vielzahl an Leuten herumzumachen, aber es ist sehr viel mehr als das. Auch wenn Sex und Spielerei GROSSEN Spaß machen können und sollen, eine Poly-Beziehung einzugehen und aufrechtzuerhalten ist Arbeit, genau wie bei jeder anderen Beziehung auch.
Bin ich ein Experte für Poly-Leben? Nein, aber meine Familie ist glücklich und das reicht uns. Während man Vorzüge anderer Beziehungsmodelle für sich selbst nutzen kann, kann man diese Dynamik nicht vollständig wiederherstellen. Jede Poly-Familie ist verschieden, da sie von einzigartigen Umständen und Persönlichkeiten geprägt werden. Wenn ihr euch dafür interessiert, eine zu gründen oder Teil einer zu werden, dann benutzt die Fragen unten als eine Hilfe.
Es gibt keine falschen Antworten, aber versucht die Fragen nicht mit einem vorbestimmten Ziel im Kopf zu beantworten. Seid den Antworten gegenüber offen, so wie sie euch in den Kopf kommen.
Warum eine Poly-Beziehung in Betracht ziehen?
Eine Poly-Beziehung in Betracht zu ziehen, beginnt mit einer Reise in die Innenschau. Als Kinkster habt ihr diese Reise bereits begonnen. Ihr kennt euch selbst und eure Begierden, was euch anturnt und wie ihr euch sexuell und wenn es um eine Beziehung geht, definiert. Ihr bringt all das in eine Poly-Beziehung mit, aber bevor ihr über eine bestimmte Gruppe Menschen nachdenkt, seid euch darüber klar, warum ihr die Idee von Polyamorie in Erwägung zieht.
Wie jede Beziehung, setzt sich eine Poly-Familie aus vielen Gründen zusammen und nicht jeder in der Familie ist aus denselben Gründen dabei. Vielleicht gibt es einen, der wegen der Möglichkeit mit mehreren Menschen, am besten zur selben Zeit, Sex zu haben, dabei ist. Ein anderer ist vielleicht dabei, weil sein Sex-Partner nur auf einfachen (Vanilla-) Sex steht. Vielleicht ist ein Dritter mehr an emotionaler Intimität und gemeinsamen Zielen und gar nicht an Sex interessiert. Ein vierter steht vielleicht total auf 2 der Familienmitglieder, aber gar nicht auf den Dritten. Manche werden auch ihre bereits bestehende Dynamik in die Poly-Familie miteinbringen. Wie wird die Familie aussehen, wenn sie aus einem Daddy und seinem Boy, zwei Puppys und ihrem Halter besteht?
In Poly-Familien gibt es Leute, die asexuell oder aromantisch sind (was NICHT dasselbe ist). Sie werden eventuell von der gemeinsamen Kameradschaft oder dem Gefühl der Sinnhaftigkeit der Familie voll befriedigt oder sie denken vielleicht einfach nur, dass die anderen Familienmitglieder coole Menschen sind. Unabhängig davon, wer die Familienmitglieder sein mögen oder was sie wollen, ist absolut entscheidend und wichtig, dass DU weißt, was Du willst. Schreibt eure Gründe auf und ermutigt andere potenzielle Familienmitglieder dasselbe zu tun. Plant ein, diese Gründe zu diskutieren, aber seid auch darauf eingestellt, Sachen über euch selbst zu hören, die ihr nicht erwartet habt. Es sieht euch vielleicht nicht jeder so, wie ihr euch selbst.
Willigt jeder der Beziehung ein?
Ja, jeder, der aktiv an der Familie teilnimmt, willigt ein, aber was ist mit dem, der den Partner hat, der nur auf einfachen Sex steht und glücklich nichts von der Existenz der Familie ahnt? Versteht er die grundlegende Qualität und Tiefe der „Freundschaft", so wie sein Partner ihm die Poly-Familie erklärt hat? Sagt man ihm die Wahrheit, wo sein Partner ist und was er macht?
Gegenseitiges Einverständnis ist mehr als nur eine Abmachung oder irgendein Thema oder an einer Aktivität teilzunehmen. Es gehört eine Wechselseitigkeit der Zielsetzung, der Absicht, der Handlungen und eine aufrichtige Chance sogar ein Gespräch über die zur Frage stehende Aktivität zu führen, dazu. Stellt euch vor, die Poly-Family steckt sich auf irgendeine Weise mit COVID an und der Partner, der den einfachen Sex hat, steckt sich mit an. Stellt euch vor, es passiert dem Poly-Partner etwas Schreckliches und der Rest der Familie wird nicht informiert, weil der Partner mit dem einfachen Sex gar nicht weiß, dass die Familie existiert. In beiden Fällen ist dieser Partner Teil einer Situation, zu der er gar kein Einverständnis geben konnte.
Eine Poly-Familie zu bilden, erfordert vielleicht schwierige Gespräche über die Art eurer gegenwärtigen und geplanten Beziehungen. Existierende Beziehungen verändern sich vielleicht oder enden sogar, aber das Gespräch darüber muss stattfinden. Wenn nicht, dann ist die Poly-Familie zumindest teilweise auf einer unredlichen Grundlage aufgebaut.
Wie werden wir kommunizieren?
Kommunikation geht leicht, wenn es um Sachen geht, die Spaß machen, aber ist sonst schwer, und noch schwerer, wenn man mit mehreren Menschen kommunizieren muss. Es gibt keine Möglichkeit vorwegzunehmen, wie diese Gespräche verlaufen werden, aber man kann eine Struktur schaffen, um Probleme zu benennen, sobald sie sich abzeichnen. Das muss nicht mal förmlich passen, vielleicht ist es auch nur eine Abmachung, dass man sich als Familie regelmäßig zum Essen trifft.
Ohne Berücksichtigung des Umstandes, der schwerste Teil der Kommunikation ist das Zuhören. Konzentriert euch auf aktives und empathisches Zuhören. Schenkt anderen eure ungeteilte Aufmerksamkeit, seid offen und unterstützt deren Gefühle, teilt eure eigenen Gefühle und seid für Herausforderungen eurer Sichtweise offen. Alle Beziehungen sind anfällig zu scheitern, wenn es keine gute Kommunikation gibt.
Was wird die Struktur unserer Beziehung?
In einer Poly-Familie gibt es zu viele Beziehungsstrukturen, um hier ins Detail zu gehen. Was wichtig zu bedenken, ist, wie man sich zu anderen stellt und umgekehrt. Jetzt ist der Moment über den Grad der Anziehung zu und das Interesse an anderen Familienmitgliedern nachzudenken. Manche denken, das sei die erste Sache, die es zu bedenken gibt, aber es ist wichtiger andere Sachen zuerst zu berücksichtigen. Wenn es nur darum ginge, mit coolen Leuten abzuhängen, dann könntet ihr einfach alle Mitbewohner sein. Andererseits braucht man keine Poly-Familie, nur weil ihr es mögt Sex/Herumspielen mit anderen Leuten zu haben/zu machen.
Manch einer will sich auf die Hierarchie der Familie konzentrieren, wenn es überhaupt eine gibt. Auch wenn das wichtig ist, ist es doch sekundär gegenüber dem Definieren, was eure Gefühle, eure Wünsche und eure Begierden in der und für die Beziehung sind. Es gibt Poly-Familien, wo eine Person für jemanden ein Daddy ist, während sie für jemand anderen ein Boy ist. Diese sich überschneidenden Dynamiken zu steuern, erfordert einen offenen Dialog und einen Einsatz zu diesem größeren Ideal einer Familie. Beim Hineintreten in die Familie solltet ihr darüber nachdenken, mit wem ihr euch physische oder emotionale Intimität wünscht, wenn ihr das wollt. Mit wem möchtet ihr Zeit verbringen? Wer bringt euch zum Lachen? Wer nervt euch? Bereitet euch darauf vor, diese Sachen mit euerer Familie zu diskutieren und entscheidet, was ein fester Punkt ist, der nicht zur Debatte steht und worüber man verhandeln kann. Auch wenn ihr euch vielleicht als Boy oder Sklave definiert, wenn es darum geht, eine Familie zu bilden, habt ihr eine gleich starke Stimme wie euer Daddy oder euer Master. Habt keine Angst, sie zu nutzen!
Erfolgreiche Polyamorie befreit euch von den Erwartungen eines einzelnen monogamen Partners, all eure Bedürfnisse zu erfüllen und umgekehrt. Die Schönheit und der Spaß einer Poly-Familie ist, dass ihr genau bestimmen könnt, wie und mit wem ihr interagiert und dass eure Partner euch in diesen Entscheidungen unterstützen. Es ist eine Reise des sich Selbst auf einen neuen Standbringens. Viel Glück auf dieser Reise!
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